Wie können HSV-Fans nur einen verurteilten Doper verteidigen? Diese Frage beschäftigt mich, denn sie ist gerechtfertigt.
Vorweg zwei Dinge:
- Doping ist auch im Fußball (oder generell in Team-Sportarten) nicht abwegig. Die Steigerung der Leistungsfähigkeit durch unerlaubte Mittel erhöht auch die Konzentrationsfähigkeit, um in der 90. Minute den Pass präziser zu spielen, in einer Kontersituation die richtige Entscheidung zu treffen oder schlicht das Laufduell zu gewinnen. Verharmlosung oder das Abstreiten des Sinns von Doping ist völlig unangebracht und kontraproduktiv, daher gilt auch für HSV-Spieler, dass sie, wenn sie gedopt haben, die entsprechende Strafe zu tragen haben.
- Ich habe keine Ahnung von den wissenschaftlichen Doping-Analytik-Prozessen, sowas hat uns weder im Leistungskurs Bio noch im Grundkurs Chemie in der Schule jemand beigebracht. Daher kann ich nicht beurteilen, welches Verfahren ungeeignet oder besser ist, ob eine Probe falsch-positiv oder sonstwas ist und wie die Proben transportiert oder gelagert werden müssen.
Trotzdem bin ich mir immer noch nicht sicher, ob Mario Vuskovic gedopt hat oder nicht. Warum?
Ganz grundsätzlich: Ein Verfahren, das sich auf Bildinterpretation beruft, wo es keine Grenzwerte, sondern nur Schatten und Schlieren gibt, die nach entsprechender Bildbearbeitung künstliches von natürlichem EPO trennen soll, erscheint mir zweifelhaft, vor allem weil es in der Vergangenheit schon mehrfach angezweifelt und in mehr als einem Fall falsche Ergebnisse geliefert hat.
Mehr Bauchschmerzen bereitet mir aber das WADA-System. Die Umkehr der Beweislast nach einem positiven Test finde ich dabei durchaus nachvollziehbar, weil natürlich erstmal der positive Test mit A- und B-Probe ein Beweis der Schuld ist. Ab da muss ein*e Sportler*in halt den Gegenbeweis antreten, völlig logisch. Das Problem ist nur: Die Möglichkeit wurde Vuskovic gar nicht richtig eingeräumt. Er hat es durchaus versucht – von Lügendetektor-Tests und Haut-Screening nach Einstichstellen ist da zu hören. Das können verständlicherweise nur Indizien sein, aber dann sind da auch noch vier Wissenschaftler, die das Ergebnis des WADA-Labors diametral anders interpretieren.
Und jetzt wird’s halt kompliziert. Die WADA hat nur eine handvoll Labore zugelassen, die Analysen überhaupt zu machen und das auch nur nach diesem einen Verfahren. Diese Labore bestätigen sich dann gegenseitig – innerhalb eines geschlossenen Systems wohlgemerkt, das bei Fehlern oder Abweichung vom WADA-Protokoll mit Lizenzentzug (und damit auch erheblichem wirtschaftlichen Schaden) sanktioniert. Die Laborleiter*innen sitzen darüberhinaus gemeinsam in irgendwelchen EPO-Kommissionen, in denen sie dann in schöner Regelmäßigkeit festhalten, dass eben das Verfahren, das nur sie durchführen können, genau der richtige Weg ist. Wo ist eigentlich das Kartellamt, wenn man es mal braucht? Die WADA sieht eine C-Probe nicht vor und lehnt sie ab – was wiederum auch verständlich ist, sonst müssen sie im Zweifel so viel testen, wie die Sportler*innen trinken können. Die einzigen, die testen dürften, sind die zertifizierten Labore, die ein im Zweifel existenzielles Interesse haben, sich gegenseitig und die Methode generell zu schützen. Unabhängige Labore hingegen werden als Experten nicht akzeptiert.
Wie soll Vuskovic denn dann seine Unschuld beweisen?! Es tut mir leid, aber da stimmt was nicht. Wenn ein Mensch faktisch gar nicht die Möglichkeit hat, seine Unschuld zu beweisen, stinkt das System. Gebt die C-Probe an ein WADA-unabhängiges Labor, lasst eine andere Analyse-Methode zu (insofern sie wissenschaftlich glaubwürdig ist), wenn das Ergebnis dann wieder positiv ist, sperrt Mario für vier Jahre. Aber so lange ich das Gefühl nicht loswerde, dass das WADA-System (zumindest bei EPO) nicht objektiv funktioniert, werde ICH Mario Vuskovic zumindest nicht verurteilen.
Eine Antwort zu „Böse Falle“
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Tja… ich bin ja ganz glücklich, dass es sich nicht um „unseren“ Spieler handelt, so dass es mir etwas egaler sein kann. Aber: Mir ist wirklich erstmal recht egal, ob er jetzt gedopt hat oder nicht. Was mir dieses Verfahren aber vor Augen hält, ist genau das, was Du ja auch schilderst. Massives Unwohlsein mit der Art des Vorgehens. Die WADA als „Dogma“ ohne eine wirklich wahrnehmbare „rechtsstaatliche Kontrolle“. Wie Du kann ich die Beweislastumkehr nach A&B-Probe nachvollziehen, aber in einem in meinen Augen guten System müsste dann ggfs. eben eine _unabhängige_ Instanz sich die C-Probe ansehen dürfen, und nicht das selbe Institut wie vorher.
In meinen Augen…well: WENN die keinen Schmu machen, müsste es doch völlig okay für die sein, da auch mal dritte drauf schauen zu lassen.
Und wenn die doch Schmu machen, wäre es um so wichtiger, da mal „Wadaexterne“ mit einzubeziehen. Mh.
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